Lebensraum: deutsch LAND

deutschLAND: überland III (high noon) . 2014 . pigment print – 10 Farben . Edition 5 . various size

Als ich 2011
noch einmal für
eine Ausstellung in die
Prignitz eingeladen wurde, sollte etwas
Neues entstehen.

deutsch LAND: überland I . 2014 . pigment print – 10 Farben . Edition 5 . various size

2011 fuhr ich zu Ausstellungsvorbereitung in die Prignitz – zum ersten Mal mit der Bahn. Kurz nach Berlin erschien ein geheimnisvoller, verwunschener Bahnhof: Paulinenaue. Oder war es ein Schlößchen? Was wollte der Name erzählen? Ich sah nichts weiter als ein Wäldchen; eher eine Haltestelle als ein Bahnhof und ein langsam verfallendes Gebäude mit vernagelten Fenstern, übersät von Graffitis. Es fiel Schnee. Ob jetzt wohl Dr. Schiwago um die Ecke kommt? Der Zug fuhr weiter… hielt in Friesack, Zernitz, Glöwen… immer das Gleiche: einst wohl prächtige Paläste standen stumm-trotzig den Zweckbau-Bahnsteigen des 21. Jahrhunderts im Weg.

Ich hatte mein Thema für die Ausstellungen in der wunderschönen alten Dorfkirche von Groß-Lüben (2014) und im Kurzentrum Bad Wilsnack (2015) gefunden.

NEBEN dem GLEIS . 2015

Prignitzer Assoziationen . 2014

Prignitzer Einsichten . 2015

Prignitzer Fundstücke

deutsch LAND: überland IV . 2015 . pigment print – 10 Farben . Edition 5 . various size

Neben der Prignitz
beschäftigte mich
2010−11 Bernau.

Die Jury der Galerie Bernau hatte 2011 unser Ausstellungskonzept Dynamik Bernau – Die Poesie des Alltäglichen von Claudia Hartwig, Jens Reulecke und mir angenommen. Vorbereitend hatten wir diese eigenartige Stadt einenTag lang gemeinsam erkundet, fotografiert und herausgefunden, wo jeder seinen Schwerpunkt in dieser Ausstellung sieht.

Besonders beeindruckend fanden wir die grösstenteils erhaltene bis zu 8 m hohe Stadtmauer aus dem Mittelalter und die bemerkenswerte spätgotische St. Marienkirche mit ihrem Bildergeschichten-Altar, vermutlich aus der Schule von Lucas Cranach dem Älteren. Dort sah ich auch zum ersten Mal in meinem Leben »Totenkronen«. Aber davon erzähle ich auf der Seite Installation.

Mich bewegte besonders das Stadtbild mit seinen brüchigen, kontrastierenden architektonischen Überraschungen; ebenso wie das dichte Nebeneinander äußerst gegenläufiger Strukturen als Zeugnis verschiedenster Epochen deutscher Geschichte. All das schafft einen permanenten Perspektivwechsel, der das Geschehen dynamisch auflädt.

Bernauer Ansichten . 2010−11

GEDANKENGANG BERNAU

Angriffe - vorbei,
Kriege - vorbei,
Abrisswut - vorbei.

Die uralte Stadtmauer
hat es geschafft.
Berühmt ist sie - weitaus weiter
als sie das Land
in ihrem langen, langen Leben
überblicken konnte.
Sich nicht mehr wehren müssen!
Nie wieder verschlossen werden!
Das Henkerhaus - ein Museum!
Es ist gut so.
Ihre Weisheit umarmt versöhnend
das in ihr wohnende
Nebeneinander,
Gegeneinander,
Miteinander.

Geh durch ihr große Tor!
Vorbei an sich nach Ladenschluss
langweilenden Leuchtschrift-Versprechen.
Geh weiter.
An Baustellen vorbei
zum Stadtpark.
Hier haben sich Botschaften
den am Wegrand stehenden
Bäumen anvertraut.

Entdecke staunend den Nachlass
von Zeit-Bewegungen.
Platte, Fachwerk, Asbest, Backstein,
renoviert und herausgeputzt.
alt - neu, alt - neu, alt - neu,
Kleinstadt-Juwelen und Häuserketten,
zwischen Brüchen,
Abbrüchen, Aufbrüchen, Umbrüchen.
Gewaltige Graffitis hinter Gittern.
Falsche Raben wohnen stumm
auf blauem Plastikblumen-Balkon.

Suche nach geheimnisvollen Einblicken
in Verborgenes.
Zu Füßen des Hauses
mit den drei Stufen,
blinzeln Blätter voller grünem Leben,
zwischen Kopfsteinen
in die späte Oktobersonne.
Neugierig lauschen sie
den Geschichten einer Tür,
gekleidet in extravagantes Türkis.

Finde verschüttetes Vergessen
und freigelegte Geheimnisse.
Hinter dem Schilderwald
VERBOTEN-ERLAUBT
betritt die ziegelrote Welt
der Wunder und Legenden:
Ein bunter Bilderbuch-Altar
berichtet vom Zähneziehen.
Magische Totenkronen belohnen
die Keuschheit verstorbener Jungfrauen.
In Evangelischen Beichtstühlen
auf überdachter Bank
besprechen sich Nöte und Sorgen.

Der düsteren alten Schule ganz nah
lacht ein Kindergarten.

Helga Ntephe, 2010
kleines Lachen – verzaubernd . 2013

 Bernau stills . 2010−11

deutsch LAND: überland III . 2015 . pigment print – 10 Farben . Edition 5 . various size

Als erste Sequenz
für »deutsch LAND«
entstand
2006−07 »Juliland«.

Seit 2001 unterrichte ich an der Sommerakademie in der Künstlerkolonie Schwalenberg und näherte mich zum ersten Mal der deutschen Romantik. Das mittelalterliche Städtchen liegt in der »Lippischen Toskana« zwischen Teutoburger Wald und Weserbergland und verführt zu malerischen »Urlaubsfotos«, die auf den zweiten Blick weit mehr erkennen lassen.

Juliland . 2006−07